Klimakönner: Frau Dr. Verlinden, Sie sind Sprecherin für Energiepolitik der Bundesfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen. Dabei schreiben Sie sowohl der Förderung von Energieeffizienz, als auch von Erneuerbaren Energien einen wichtigen Stellenwert zu. Wo sollte man da anfangen: Beim Ausbau der Nutzung von Erneuerbaren Energien oder bei der Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden?
Verlinden: Für den Klima- und Ressourcenschutz brauchen wir beides: mehr Energieeffizienz und mehr Erneuerbare Energien. Denn je weniger Energie die Gebäude für Heizen und Warmwasser benötigen, desto leichter können sie auf 100 % Erneuerbare umgestellt werden. Deshalb wollen wir Grüne auch in beiden Bereichen mehr Tempo machen.
Die bisherige Gesetzeslage schreibt bereits bundesweit einen energetischen Mindeststandard von Neubauten vor. Für wie wichtig erachten Sie hier auch eine Integration von Bestandsgebäuden, um eine flächendeckende Energiepolitik voranzutreiben?
Wir brauchen anspruchsvolle Energiestandards für Neubauten, aber auch klare Vorgaben für bestehende Gebäude, wenn diese saniert werden. Für beide Bereiche gibt es mit der Energieeinsparverordnung gute Ansätze. Die Vorgaben müssen allerdings vereinfacht und zukunftstauglich weiterentwickelt werden. Denn heute werden Häuser gebaut und saniert, die noch in 30 Jahren genutzt werden. Dann müssen wir spätestens klimaneutral wohnen und wirtschaften. Klare Vorgaben für Energieeinsparung sind zudem notwendig, damit Mieterinnen und Mieter vor hohen Heizkosten geschützt werden.
In Baden-Württemberg werden Altbauten seit dem Jahr 2010 mit einbezogen. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz soll dazu beitragen, dass die Nutzung von Erneuerbaren Energien zur Wärmegewinnung gefördert wird. Wie stehen Sie zu diesem Landesgesetz?
Wir Grüne halten den baden-württembergischen Ansatz für richtig. Er stellt eine von mehreren sinnvollen Komponenten dar, mit denen die Energiewende im Gebäudebereich schneller vorankommt.
Der Einsatz von Erneuerbaren Energien ist dabei verpflichtend. Wie bewerten Sie eine solche Nutzungspflicht?
In der grünen Bundestagsfraktion haben wir mit dem Aktionsplan Faire Wärme einen umfassenden Maßnahmenkatalog für eine sozial gerechte Energiewende im Gebäudebereich erarbeitet (Bundestagsdrucksache 18/10979). Darin sehen wir neben vielen anderen wichtigen Ansätzen auch die verpflichtende Nutzung von Erneuerbaren Energien vor, wenn die alte Heizung ohnehin ausgetauscht wird.
Die Grünen fordern einen Mindestpreis für CO2. Wenn es den gäbe, wäre eine Verpflichtung zu erneuerbaren Energien in Bestandsgebäuden dann überhaupt noch notwendig?
Auch wenn in der nächsten Wahlperiode auf Druck der Grünen endlich ein Mindestpreis für CO2 kommt, wird dieser vermutlich nicht von Anfang an die notwendige Höhe haben, um die Energiewende zum Selbstläufer zu machen. Erst, wenn die Preise für Energie und Rohstoffe die wahren ökologischen Folgekosten eines Produktes widerspiegeln, könnte man auf Förderprogramme und Vorgaben verzichten. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt.
Der Einsatz von Biogas gilt im EWärmeG als sozialverträgliche Option, da es mit einem relativ geringen Kostenaufwand verbunden ist. Dennoch ist die Nutzung Erneuerbarer Energien nicht günstig. Was sollte dafür getan werden, um diese Nutzung für jedermann zu ermöglichen?
Zum einen sind weiterhin gezielte Förderprogramme für energetische Sanierung und mehr Energieeffizienz notwendig, damit Energieverbrauch und Kosten sinken. Zum anderen wollen wir eine wirksame Förderung von erneuerbaren Wärme-Technologien. Wenn es nach uns Grünen geht, soll die Sanierung von Quartieren, in denen viele Haushalte mit kleinem Einkommen leben, besonders gefördert werden, damit klimafreundliches Wohnen für alle bezahlbar ist.
Können Sie sich vorstellen, dass sich ein solches Wärmegesetz für Altbauten auch bundesweit durchsetzen kann?
Die grüne Bundestagsfraktion hat auf meine Initiative einen Gesetzentwurf für ein bundesweites Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz ins Parlament eingebracht (Bundestagsdrucksache Nr. 18/6885). Doch die Regierungsfraktionen von Union und SPD haben das Gesetz abgelehnt. Ich setze auf andere Mehrheitsverhältnisse in der neuen Legislaturperiode. Dann werden wir Grüne einen neuen Anlauf starten.
In der Diskussion ist aktuell die Zusammenlegung von EEWärmeG und EnEV zu einem Gebäudeenergiegesetz. Dieses Gesetz ist bereits einmal gescheitert. Woran hat das gelegen und wer stellt sich warum dagegen?
Am Ende hat die Union das Gesetz gestoppt und damit der Immobilienwirtschaft einen zweifelhaften Gefallen getan. Die Baulobby will sinnvolle energetische Standards verhindern und läuft damit in eine ähnliche Zukunftsfalle wie die alten Energiekonzerne oder die großen Autohersteller. Doch selbst wenn das Gebäudeenergiegesetz verabschiedet worden wäre, hätte es nicht annähernd ausgereicht, um die Energiewende im Gebäudesektor zu schaffen. Weiterhin zu kompliziert, zu viele Ausnahmen und zu niedrige Standards für Energieeinsparung und Erneuerbare – so lautet das kurze Fazit zum Gesetzentwurf der Regierungsparteien.
Für wie wahrscheinlich halten Sie die Umsetzung des Gebäudeenergiegesetzes in der kommenden Legislaturperiode?
Wir brauchen dringend einen neuen Anlauf im Gebäudebereich. Denn bisher kommt die energetische Modernisierung viel zu langsam voran und erneuerbare Wärme stagniert auf viel zu niedrigem Niveau. Ob der Durchbruch in den kommenden vier Jahren gelingt, hängt eins zu eins vom Wahlergebnis ab. Am Beispiel Nordrhein-Westfalen sieht man das besonders deutlich. Dort versucht die neue schwarz-gelbe Landesregierung gerade, Klimaschutz und Energieeffizienz im Gebäudebereich noch weiter auszuhöhlen.
Können Sie sich vorstellen auch das EWärmeG in ein solches Gebäudeenergiegesetz zu integrieren?
Das ist genau unser Ansatz als grüne Bundestagsfraktion. Wir wollen ein umfassendes, praxisnahes und wirksames Gesetz für den zukunftsfesten Umbau des Gebäudesektors. Das geht nicht ohne verbindliche Ziele für mehr erneuerbare Wärme.
Gibt es einen Aspekt der Energie- und Wärmewende, der Ihrer Meinung nach noch nicht angemessen bedacht oder häufig missverstanden wird?
Für uns Grüne ist klar, dass anspruchsvolle Klimaschutz-Ziele nicht zu Lasten finanziell Schwächerer gehen dürfen. Deshalb denken wir die beiden Themen Energiewende und soziale Gerechtigkeit zusammen. Damit energetisch hochwertiges Wohnen auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel bezahlbar bleibt, wollen wir Grüne hier die Fördermittel konzentrieren und die Menschen beispielsweise mit einem Klimawohngeld unterstützen.
